Wissenschaf(f)t Kunst, eine Projektreihe von Gabriele Baumgartner und Julia Dorninger
Vienna Art Week 2023
Ausstellungseröffnung: 10. November 2023, 18-22 Uhr
Ausstellungsdauer: 11.-17. November 2023, täglich 16-19 Uhr
Adresse: WEST, Unizentrum Althanstraße I 1.OG I Bibliothek, Augasse 2-6, 1090 Wien
Teilnehmende Künstler*innen:
Angela Andorrer, Ziegi Boss, Julia Dorninger, Mafalda Figueiredo, Fanni Futterknecht, Anne Glassner, Marta Gomez, Lena Holzer, Rachel Jagjajewa, Daniel Kalkhofer, Zahra Khorshidi, Kathrin Kienel-Mayer, Martina Lajczak, Monica LoCascio, Marlene Mautner, Max Mustermann, Oliver Meschnig, Elsa Okazaki, Rotko & Rotko, Selina Saranova, Judith Stehlik, Melina Steiner, Emese Maria Székely, Rychel Therin, Marissa Wedenig
Idee, Konzept und Ausstellungsorganisation gemeinsam mit Max Mustermann und Selina Saranova
Im November öffnet das WEST im Zuge der Vienna Art Week seine Türen und bietet im Rahmen der Open Studio Days 2023 Einblicke in das kreative Schaffen seiner Zwischennutzer*innen. Parallel dazu findet die Ausstellung Stille Post. Die Antwort. statt, begleitet von Künstler*innengesprächen und Performances.
Die Ausstellung Stille Post. Die Antwort. , eine Fortsetzung der Ausstellung Stille Post, die im Rahmen der Foto Wien 2023 stattfand, vereint die vielfältigen künstlerischen Positionen des WEST unter einem kuratorischen Prinzip, das an das Kinderspiel Stille Post angelehnt ist. Bei diesem werden Nachrichten flüsternd von einer Person zur nächsten weitergegeben. Auch im WEST werden von Künstler*in zu Künstler*in Informationen weitergereicht, doch im Unterschied zu geflüsterten Worten sind es nonverbale Botschaften in Form von künstlerischen Arbeiten. So geht es in der Ausstellung um das Wissen, das Michael Polanyi, Naturwissenschaftler und Philosoph, als implizit beschreibt, das jenen Teil des Wissens darstellt, das nicht vollständig in Worten ausgedrückt werden kann.
Die Ausstellung legt den Fokus auf den künstlerischen Wissenstransfer. Wie kann das über künstlerische Praktiken von Künstler *innen generierte Wissen rezipiert und in eigenes subjektives Wissen über- bzw. weitergeführt werden? Welche im Kunstwerk gespeicherten Informationen können der nächsten Künstlerin / dem nächsten Künstler weitervermittelt und erfahrbar gemacht werden, welche gehen verloren? Welche materiellen-sinnlichen wie auch inhaltlichen Schichten des Kunstwerkes werden reflektiert und wie verändern sich diese bei Weitergabe? Welche Rezeptionsstrukturen und –muster entstehen? So positioniert sich die Ausstellung an der Schnittstelle von künstlerischer Produktion und Rezeption und zeigt auch die Grenzen der Übersetzbarkeit auf.
Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich auch die Rezeptionsästhetik, die auf der Annahme basiert, dass jedes künstlerische Werk adressiert ist. Wolfgang Kemp, deutscher Kunsthistoriker, Autor und Professor für Kunstgeschichte, bezeichnet daher die Betrachterin / den Betrachter eines Kunstwerks als implizite Betrachterin / impliziten Betrachter und referenziert damit auf die Betrachter*innenfunktion, die werkimmanent, also im Werk angelegt ist.
Künstlerische Arbeiten stehen für Momentaufnahmen subjektiver künstlerischer Wahrnehmungs-, Erfahrungs- und Handlungsräume, verkörpern vielschichtiges immaterielle Ideen und Wissen und treten in unmittelbare Wechselbeziehung mit der Betrachterin / dem Betrachter. Vor dem Hintergrund der Phänomenologie und ihren Grundsätzen der Intentionalität, der Leiblichkeit und Verkörperung sind die Bedeutungsebenen, die in der Wahrnehmung, dem Erleben künstlerischer Werke entstehen, nicht rein kognitiv, sondern auch körperlich. Die Embodiment Theorie spricht in diesem Zusammenhang auch von den 4 E‘s, die besagen, dass kognitive Zustände als embodied (verkörpert) I extended (ausgedehnt) I embedded (eingebettet) I enactive (enaktiv) anzusehen sind. Siri Hustvedt, amerikanische Schriftstellerin, beschreibt in ihrem Buch ‚Mit dem Körper sehen: Was bedeutet es, ein Kunstwerk zu betrachten?‘ die Beziehung zwischen künstlerischer Produktion und ihrer ästhetischen Erfahrung und wie sich in der von der Künstlerin / vom Künstler intendierten Lesbarkeit des Kunstwerks die eigene subjektive Erfahrungswelt der Betrachterin / des Betrachters wiederspiegelt. Die Ausstellung zeigt diese Transformationen und macht die Genese von entstehenden Linien, Umbrüchen oder Verzweigungen, die bei der Weitergabe des in den künstlerischen Werken gespeicherten Wissens entstehen, sichtbar.
Stille Post. Die Antwort. Im Rahmen der Vienna Art Week, 2023
Ausstellungsansichten West, Fotos: Julia Dorninger
Das Zwischennutzungsprojekt WEST belebt seit März 2022 die ehemalige WU im neunten Wiener Gemeindebezirk und bietet dort Raum für temporäre Atelierräume, Studios, Workshops, Seminare, Events, Ausstellungen, Symposien und Talks. In den atmosphärisch sehr interessanten Räumlichkeiten des zwischen 1976 und 1982 erbauten Universitätszentrums, geplant von den Architekten Kurt Hlaweniczka, Karl Schwanzer, Harry Glück, Thomas Reinthaller und Franz Requat, das mit seiner seiner markanten Glasfassade städtebaulich den Althangrund prägt, ist ein spannender Ort für künstlerische Produktion, Austausch und Weiterbildung entstanden.
Stille Post. Die Antwort. Im Rahmen der Vienna Art Week, 2023
Ausstellungsansicht West, Fotos: Julia Dorninger