Tote Stadt, 2022

Aquarell, Cut-Out, Installation

Tote Stadt I Krumau 04, 2022

Tusche, Aquarell, Cut-out auf Papier, 100 x 140 cm

Tote Stadt I Krumau 05, 2022

Tusche, Aquarell, Cut-out auf Papier, 100 x 140 cm

In meinem künstlerischen Projekt Tote Stadt beschäftige ich mich mit der Stadt Krumau, die Egon Schiele Zeit seines Lebens faszinierte. Krumau, die Geburts- und Heimatstadt von Egon Schieles Mutter, inspirierte den Künstler. Der eindrucksvolle Blick von oben auf die verwinkelten Gassen und historischen Häuser, begrenzt durch die dunklen Mäander der Moldau, aber auch Egon Schieles ambivalente Gefühle zu Krumau, führten zu seinem unverwechselbaren expressionistischen Stil in seinen Stadtansichten.

 

Meine Arbeiten referenzieren auf Egon Schieles Gemälde Tote Stadt III. Das Gemälde, entstanden 1911, zeigt Krumau menschenleer und düster. Die von Schiele dargestellte Häusergruppe wird von einem dunklem Ring- der Moldau, von 3 Seiten umschlossen, sodass die Häuser stark isoliert wirken- gleich der inneren Stimmung Egon Schieles, der 1911, nach mehrmonatigem Aufenthalt, aus Krumau ausgewiesen wurde. So zeigt sich die Stadt als Spiegel seiner Emotionen, das Gemälde wird zum Träger seiner Seelenzustände. Der im 19. Jh. entstandene Mythos der Toten Stadt findet sich auch z.B. bei Kafka (Der Prozess) und seinen Beschreibungen über Prag wieder. Die dem Roman innewohnende dichte, morbide Atmosphäre einer dunklen Stadt korrespondiert mit Schieles Bildzyklus Tote Stadt I, II und III.

 

Auch meiner Arbeit ist diese beklemmende Atmosphäre inhärent und spiegelt sich wider in der Wahl der schwarzen Tusche und den dunklen Aquarellfarben bzw. der Cutout-Technik, bei der ich große Bildanteile wieder entferne. Über diesen künstlerischen Gestus des Herausschneidens versuche ich, die Düsternis und Einsamkeit, die in Egon Schieles Stadtansichten liegen, nachzufühlen und Krumau als ein Relikt vergangener Zeiten zu interpretieren. In Krumau 02 schneide ich die Moldau fast vollständig heraus, um die Isolation der Häuser noch weiter zu betonen. Stück für Stück löse ich mich jedoch vom historischen Kontext und Schieles Interpretationen und verleihe dem Kunstwerk Eigenständigkeit, lasse meine persönlichen Erinnerungen an Krumau, das ich mehrmals besucht habe, wach werden.

 

Schieles Stadtansichten von Krumau Anfang des 20 Jh. zeigen eine menschenleere Stadt- Schiele hat das Schicksal für das heutige Český Krumlov so scheinbar vorhergesagt: Heute fehlen in Krumau die Einwohner*innen. Nur noch 200 der 13 000 Einwohner*innen leben derzeit im Stadtkern. 1992 wurde die gesamte historische Innenstadt von Krumau Unesco-Weltkulturerbe, dies hatte die soziale Exklusion ihrer Bewohner*innen zur Folge: Die Einheimischen wurden aus dem Zentrum verdrängt -Alltagsleben fand und findet in der Stadt nicht mehr statt. Stattdessen wurde Krumau über die leerstehenden Apartments, Souvenirläden und Lokale zur Kulisse für jährlich 2 Millionen Tourist*innen.

Tote Stadt I Krumau 01, 2022

Tusche, Aquarell, Cut-out auf Papier, 70 x 100 cm

Ausstellungsansichten Schiele Award, Tulln 2022

Tote Stadt I Krumau 02, 2022

Tusche, Aquarell, Cut-out auf Papier, 70 x 100 cm

Tote Stadt I Větřní 01-03, 2022

Aquarell, Cut-out auf Papier, 70 x 100 cm bzw. 100 x 70 cm